Wenn Rumpelstilzchen hüpft

Sie schreiben jemandem eine eMail oder unterhalten sich mit ihm, und plötzlich merken Sie an dessen Reaktion, dass der andere gerade „auf 180“ ist und (zumindest innerlich) vor Zorn hüpft wie Rumpelstilzchen. Oder umgekehrt, von einem Moment auf den anderen gehen Sie an die Decke. Was läuft hier ab?

Bildquelle: pixabay.com, stockpic

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Wenn sich zwei erwachsene Menschen miteinander unterhalten tun sie dies im Idealfall auf Augenhöhe. In der Realität ist das allerdings nicht immer so. Wenn der Gesprächspartner plötzlich beleidigt oder trotzig reagiert, eine Schnute zieht und schmollt, verhält er sich wie ein Kind. Wenn er Sie besserwisserisch zurecht weist und auf unangemessene Art kritisiert, verhält er sich wie ein Oberlehrer. Ihnen fallen jetzt sicherlich Personen ein, die dieses Verhalten öfters an den Tag legen. Womöglich Sie selbst? Oder Situationen, wo Sie das Gefühl hatten, Ihr Gegenüber hat sich plötzlich in jemand anderes verwandelt.

Das Modell der Transaktionsanalyse liefert eine Erklärung für diese Verhaltensänderungen. Eric Berne hat es in den 1960er Jahren entwickelt und versuchte damit Konflikte und Kommunikationsstörungen zu enttarnen und Lösungsansätze zu entwickeln. Dabei ging er davon aus, dass sich in der menschlichen Kommunikation immer zwei Individuen mit einer Vorgeschichte begegnen, die bestimmt ist von Erfahrungen, Erinnerungen, Erwartungen und Emotionen. Aufbauend auf Freud´s „Ich“, „Über-Ich“ und „Es“ ging auch Berne davon aus, dass jeder Mensch mehrere „Ich-Zustände“ in sich trägt, und zwischen diesen wechselt. Er bezeichnete sie als „Eltern-Ich“, „Erwachsenen-Ich“ und „Kind-Ich“. Das Eltern-Ich ist dabei belehrend, tadelnd, einschränkend. Das Erwachsenen-Ich ist rational, vernünftig, sachlich, verantwortungsvoll. Das Kind-ich hingegen ist emotional, egoistisch, trotzig und verspielt.

In der Kommunikation zwischen Erwachsenen begegnen sich meist zwei Erwachsenen-Ichs. Doch durch eine kleine Äußerung oder eine Geste können wir einen Stimulus auslösen, der unser Gegenüber in einen anderen Ich-Zustand versetzt. Das kann zum Beispiel eine Redewendung sein, die derjenigen in seiner Kindheit immer von den strengen Großeltern oder dem Lehrer gehört hat. Ein erhobener Zeigefinger wäre die Geste dazu, die sofort dafür sorgt, dass die Gleichwertigkeit der Kommunikationspartner aufgehoben wird. Einer ist jetzt in der Hierarchie über dem anderen. Diese so genannten Trigger lösen dann ein Verhaltensprogramm aus, das nicht zur aktuellen Situation passt, aus dem man aber auch nicht mehr so leicht rauskommt.

Falls Ihnen die eingangs geschilderte Reaktion des tobenden, beleidigten, zornigen Gesprächspartners bekannt vorkommt, können Sie sicher sein, dass hier ein Trigger ausgelöst wurde. Meistens passiert dieses Auslösen unbewusst, je besser man sich allerdings kennt, desto genauer weiß man, welche Knöpfe man drücken muss, um den anderen auf die Palme zu bringen. Geschwister und langjährige Partner perfektionieren dieses Spiel geradezu.

Wie bringt man nun Rumpelstilzchen wieder von der Palme runter? Hm, das ist schwierig. Sicher nicht durch weitere Zurechtweisungen, denn das verstärkt ja nur sein Gefühl, in der Kinderrolle gefangen zu sein. Er fühlt sich dann wahrscheinlich kleingemacht, gedemütigt, hilflos, nicht ernst genommen, und wie eine selbst erfüllende Prophezeiung verstärkt er diesen Eindruck noch durch sein Verhalten. Die Abwärtsspirale dreht sich.

Wenn Sie die Kommunikation wieder auf konstruktive Wege bringen möchten, achten Sie vor allem auf Ihr eigenes Verhalten. Wechseln Sie nicht ins Eltern-Ich, sondern bleiben Sie konsequent im Erwachsenen-Ich und begegnen Sie dem anderen, trotz seines unangemessenen Verhaltens, mit Respekt. So lassen Sie ihm die Chance, seine Würde wieder zu erlangen.

Ich habe eine kleine Reflexionsübung für Sie zum Abschluss: erinnern Sie sich an Ihre letzten drei Konfliktsituationen, und versuchen Sie heraus zu finden, in welcher Rolle Sie waren, und in welcher Rolle Ihr Kommunikationspartner war: vor dem Konflikt, währenddessen, und danach. Was kann der Grund für den Wechsel in ein anderes Ich gewesen sein? Und wie konnten Sie den Konflikt beilegen? Viel Spaß bei der Selbsterkenntnis!