Wieso Tauchen die Resilienz stärkt

Als Tauchlehrerin und psychologische Beraterin ist mir aufgefallen, dass vieles, was beim Tauchen relevant ist, uns auch im tägliche Leben hilft, um gesund zu bleiben und unsere Resilienz, d.h. die seelische Widerstandkraft, zu stärken. Die positiven „Nebenwirkungen“ des Tauchens sind, dass wir:

1)      Lernen zu Vertrauen: Der Tauchpartner ist die Lebensversicherung unter Wasser. Wenn beim eigenen Tauchgerät ein Defekt auftritt, oder man selbst Probleme bekommt, hilft der Buddy weiter. Dafür ist es notwendig, dass er greifbar ist. Wie wir aus der Psychologie wissen, sind auch über dem Wasserspiegel unsere Mitmenschen die wichtigsten Ressourcen. Sie sind es, die uns Zuversicht und Unterstützung geben können, die uns auffangen und uns emotional nähren, wenn es uns nicht gut geht.

2)      Problemlösungskompetenz entwickeln: Eine wichtige Regel beim Tauchen lautet: bei Problemen stoppe, atme tief durch, denk nach und dann handle in Ruhe. Wie wir aus der Stressforschung wissen, funktioniert unser Denken nur sehr eingeschränkt, wenn eine akute Stressreaktion vorliegt. Adrenalin und Noradrenalin durchströmen unseren Körper, der Cortisolspiegel steigt an, ebenso wie Puls und Blutdruck. Der ganze Körper ist angespannt und zur Flucht bereit. Wenn dies unter Wasser passiert, kann es fatale Folgen haben. Darum lernt man schon in der Tauchausbildung durch Visualisierungsübungen, permanentes Wiederholen und Simulationen, wie man im Notfall reagieren soll.

3)      Entspannung schnell herbeiführen: Bei gehetzten oder gestressten Menschen sehen wir immer wieder, wie flach sie atmen und wie gepresst ihr Atem dabei ist. Sie stehen unter Druck und verspannen, so wie auch Taucher in bedrohlichen Situationen alle Muskeln unbewusst anspannen. Die richtige Atemtechnik hilft, hier wieder Kontrolle zurück zu gewinnen. Nicht nur aus diesem Grund lernt man beim Tauchen, stets langsam und tief zu atmen. Besser als es eine Biofeedbackmessung am Computerbildschirm aufzeigen kann, sieht man beim Tauchen sofort, wie effektiv man atmet, und kann direkt ausprobieren, ob man seinen Atem optimieren kann. Ruhiges Atmen senkt Blutdruck und Puls, das Blut wird mit Sauerstoff angereichert und die Versorgung des Gehirns mit sauerstoffreichem Blut funktioniert wieder. Damit sind auch klares Denken und Problemlösung wieder möglich.

4)      Die Wahrnehmung schärfen: Die Wahrnehmung der eigenen Gefühle und des körperlichen Befindens ist wichtig, um zu entscheiden, ob man sich den Tauchgang zutraut oder nicht antritt bzw. abbricht. Bei mentalem oder körperlichen Unwohlsein ist ein Tauchgang oft zu riskant. Es ist nötig, sich selbst wahr und wichtig zu nehmen, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu ihnen zu stehen, und auch auf die innere Stimme zu hören, selbst wenn der Kopf etwas anderes befiehlt. Burn-Out-Patienten im fortgeschrittenen Stadium haben diese Wahrnehmungsfähigkeit nicht mehr. Sie sind nicht empfänglich für die Signale des Körpers und der Seele, und das kann fatale Folgen haben.

5)      Im Hier und Jetzt und im Flow sind: Viele Taucher berichten davon, dass sie beim Tauchen komplett im Hier und Jetzt sind, und ein Flow-Gefühl erreichen. Das ist ein Zustand völliger Konzentration, wobei einem trotzdem alles mit Leichtigkeit gelingt. Das Zeitgefühl verschwindet, man geht komplett in seiner Tätigkeit auf, Herzschlag, Puls und Atmung sind völlig synchron. Im Flow ist man voller Euphorie, und Glückshormone durchfluten den Körper. Da bleibt keine Zeit, an Vergangenes oder die Zukunft zu denken, und auch Probleme verschwinden aus dem Bewusstsein.

6)      Achtsamkeit leben: Beim Tauchen können wir kein GPS oder Navi verwenden, sondern sind (neben einem Kompass) auf natürliche Orientierung angewiesen. Außerdem gilt es die Strömung sowie den Tauchpartner im Auge behalten, und auch regelmäßig auf seine Instrumente schauen, um den Luftverbrauch und die Tiefengrenzen zu beobachten, sonst kann es schlimm ausgehen. Achtsamkeit ist das bewusste Lenken der Aufmerksamkeit auf eine Sache. Konzentration ist die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit längere Zeit auf eine einzige Sache zu richten. Achtsamkeit beschreibt auch die Art und Weise, wie wahrgenommen wird. Die wichtigste Regel ist: nur wahrnehmen, nicht werten. Das fällt beim Tauchen leicht, da Taucher meist sehr bewundernd die Unterwasserwelt erkunden. Im Alltag gehen wir leider oft wie ferngesteuert durchs Leben und übersehen die schönen Dinge.

7)      Gefahren erkennen: Beim Tauchen bewegen wir uns in einem Lebensraum, für den wir prinzipiell körperlich nicht geeignet sind, daher ist die Schwelle zur Angst näher als sonst. Wenn wir beim Tauchen von Angst sprechen, gibt es einerseits die begründete Angst, z.B. bei schlechter Ausrüstung, einem unberechenbaren Buddy, körperlichem Unwohlsein usw. Diese Angst bekommt man sehr leicht in den Griff, indem man Vorkehrungen trifft oder  manche Risiken bewusst nicht eingeht. Schwieriger in den Griff zu bekommen ist da schon die unbegründete, nicht benennbare Angst, die plötzlich auftreten und sich in eine Panikattacke auswachsen kann. Hier kann man im Vorfeld durch Stärkung der eigenen Wahrnehmung und des Selbstvertrauens gegenwirken. Beim Erkennen erster Alarmsignale hilft es, gezielte Atemtechnik anzuwenden und so die Kontrolle über die Situation zu behalten. Übungen zum Stressabbau wie z.B. Atemtechniken, Visualisierungstechniken und ähnliches sind sehr sinnvolle Mittel zur Bewältigung der Situation. Wichtig ist es vor allem, die Angst nicht zu ignorieren und ihr die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient. Angst macht uns vorsichtiger, schärft unsere Sinne und Wahrnehmung und ist deshalb auch wichtig für die Gefahren-Prävention.

8)      Genießen und Dankbarkeit verspüren: Das bewusste Genießen des Augenblicks löst ein Gefühl der Dankbarkeit und Demut aus. Nachgewiesener Maßen sind dankbare Menschen glücklicher, was sich wiederum positiv auf ihre Gefühlswelt, ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit auswirkt.

Tauchen ist entspannend, verbindet Menschen, bringt sie wieder mit sich selbst und auch mit der Natur in Berührung. Selbstverantwortung und auch die Verantwortung für andere Menschen werden gestärkt. Das bewusste Atmen und die körperliche Bewegung bauen Stresshormone ab und führen zu einer tiefen Entspannung, die noch lange über das Tauchen hinaus anhalten kann. Deshalb ist Tauchen für gestresste Menschen oder Menschen, die den Bezug zum eigenen Körper und zu ihren Gefühlen verloren haben, eine gute Möglichkeit, wieder ins Spüren und Wahrnehmen zu kommen. Außerdem macht es Spaß und setzt Glückshormone frei. Tauchen führt zu mehr Mut, Selbstvertrauen, Stärke, Gesundheit und Lebensfreude.

Wer jetzt Lust darauf bekommen hat: im Sommer starte ich wieder mit meinen individuellen Tauchkursen in Kleingruppen. Mehr dazu auf www.mental-diving.at.