Über Burn-Out liest man sehr viel, und fast jeder kennt jemanden, der schon davon betroffen war, oder hat selbst schon einmal dieses Jammertal durchschritten. Wie bei anderen Erkrankungen auch konzentriert sich die Berichterstattung dazu vor allem auf diejenigen, die sich im Burn-Out sind oder auf dem Weg dorthin befinden. Doch jeder Burn-Out-Patient hat Angehörige und Freunde, die ebenfalls mitleiden. Sie haben zusätzlich noch den Nachteil, dass sie aktiv dem Leiden kein Ende setzen können. Was also können sie tun?
Es ist schrecklich als Angehöriger, wenn man bemerkt, wie sich ein geliebter Mensch verändert, wie man beginnt, die Verbindung zu ihm zu verlieren. Wie sich ein Burn-Out entwickelt, lässt sich sehr gut anhand des 12-Phasenmodells von Freudenberger beschreiben. Zuerst zeigen die Menschen einen verstärkten Einsatz (Phase 1-2), danach beginnen sie, eigene Bedürfnisse (und Bedürfnisse der Angehörigen z.B. nach mehr gemeinsamer Zeit) zurückzuschrauben, was zu immer mehr Konflikten führt, die sie zu verdrängen versuchen (Phase 3-6). Betroffene beginnen daraufhin, sich zurück zu ziehen, weil sie ihre Energie für sich brauchen und auch, weil sie sich unverstanden fühlen. Das geht so weit, dass sie sich von ihren Gefühlen und Empfindungen abkapseln, um funktionieren zu können (Phase 7-9). Was bleibt, ist ein Gefühl der Leere, Depressionen bis hin zum völligen Zusammenbruch und manchmal leider auch Selbstmord (Phase 10-12). Der Verdacht Burn-Out kommt Angehörigen oft früher als den Betroffenen selbst, und vielfach sind sie es, die in eine Beratung gehen, um zu erfahren, was sie tun können, um zu helfen.
Wie sie helfen können:
1. Bleiben Sie in Kontakt. Sprechen Sie mit dem Betroffenen über Ihren Verdacht, dass es ihm nicht gut geht. Auch wenn es schwer fällt, aber eine gute Beziehung hält Offenheit aus. Beschreiben Sie Verhaltensveränderungen, die Sie wahrnehmen, ohne dabei anklagend zu wirken. Äußern Sie Ihre Sorge um sein Wohlbefinden.
2. Hören Sie zu, wenn der Betroffene mit Ihnen über sein Empfinden spricht, und versuchen Sie dabei nicht gleich mit Lösungen zu kommen. Fragen Sie nach, wenn Ihnen etwas unklar ist, und versuchen Sie zu ergründen, welche Annahmen seinem Denken zugrunde liegen.
3. Unterstützen Sie, wenn es möglich ist. Ist der Grund für die schlechte Verfassung Überlastung, überlegen Sie gemeinsam, was geändert werden kann. Hinterfragen Sie dabei Ihre Motive. Unterstützung heißt auch, auf Beratungsmöglichkeiten hinzuweisen. Ermutigen Sie ihn auch, Information und Hilfe bei einem Arzt, Berater oder Therapeuten zu suchen. Je früher dieser Schritt erfolgt, desto mehr Leid erspart man sich (und den Angehörigen!) dadurch, und desto besser sind die Erfolgschancen.
4. Lenken Sie die mentale Ausrichtung. Zeigen Sie ganz bewusst schöne Momente auf, die es im Alltag immer auch gibt. Das kann Vogelgezwitscher in der Frühlingssonne sein, ein gemeinsamer Spaziergang, auf dem Sie neue Eindrücke bekommen,… Sie können das ganze auf spielerische Art angehen. Erinnern Sie sich noch an „Ich seh, ich seh, was du nicht siehst?“. Das Kinderspiel öffnet den Blick, schärft die Wahrnehmung, und macht vor allem auch Spaß.
5. Sprechen Sie die Sinne an. Ich meine damit nicht nur Sinnlichkeit (die kommt bei Burn-Out meistens zu kurz, da die Stresshormone sich negativ auf die Libido auswirken), sondern die fünf Sinne des Menschen. Da Betroffene sich ab einem gewissen Stadium von ihren Gefühlen abkapseln und sich selbst nicht mehr spüren können, ist es wichtig, sie wieder ins Spüren, Schmecken, Riechen zu bringen.
6. Gemeinsame Bewegung hilft, Stresshormone abzubauen, und ermöglicht Zeit miteinander zu verbringen. Auch wenn Ihr Angehöriger am liebsten nur auf der Couch liegen und schlafen möchte. Vielleicht fällt Ihnen mit ein bisschen Kreativität eine Motivation ein (Motivation kommt übrigens vom lat. movere= in Bewegung bringen), und sei es nur das Versprechen, ihn dafür am nächsten Tag in Ruhe zu lassen.
7. Schauen Sie auf sich. Bei aller Liebe, was Sie leisten kostet Kraft, und die ist auch bei Ihnen nicht unerschöpflich. Suchen Sie sich Inseln der Erholung, wo Sie sich selbst etwas Gutes tun können und Ihre Batterien wieder aufladen. Die gesamte Situation ist auch für Sie sehr belastend, und darüber zu reden nimmt viel Druck. Es muss nicht immer gleich mit einem Berater sein. Eine gute Freundin, die zuhört und für Sie da ist, geht genauso. Aber achten Sie darauf, dass sie ihr nicht Ihren Seelenmüll umhängen, und sie damit runter ziehen. In dem Fall wäre ein Außenstehender doch die bessere Ansprechperson.
8. Mitfühlen, nicht mitleiden. Lassen Sie sich nicht zum Co-Abhängigen machen. Empathie ist eine wundervolle Eigenschaft, aber sagen Sie sich selbst immer wieder vor, dass Sie hier nur in der Beobachterrolle sind. Niemandem ist geholfen, wenn Sie durch den Betroffenen mit hinunter gezogen werden.
9. Den Zustand des Leidens beenden kann nur derjenige, der im Burn-Out ist. Sie können niemanden retten, wenn derjenige es nicht zulässt. Sie können nur Ihr Bestes geben und ihm Möglichkeiten aufzeigen. Wenn das nicht genügt, haben Sie deswegen kein schlechtes Gewissen. Sie haben alles Menschenmögliche getan.
10. Wenn es zu viel wird, gilt das Stewardessen-Prinzip: Selbstrettung vor Fremdrettung. Das gilt auch für denjenigen, der sich im Burn-Out befindet. Spätestens wenn Selbstgefährdung (oder Fremdgefährdung) besteht, müssen Sie schon von Gesetzes wegen psychologische Hilfe einschalten. Diese Profis wissen was zu tun ist.
Burn-Out ist mittlerweile gesellschaftlich anerkannt. Es ist nichts, wegen dessen man sich schämen muss. Es ist aber auch nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Zu oft sind die Folgen davon fatal. Auf der anderen Seite berichten viele Menschen, die Burn-Out überwunden haben, dass diese Erfahrung ihr Leben nachhaltig ins Positive verändert hat. Das Leben und auch Beziehungen sind danach oft ganz anders, aber das Gute daran: sie können dadurch viel intensiver und beständiger werden.